003 – Annette Hess

Wenn man mit Annette Hess spricht, muss man kein Thema ausklammern oder Kontroversen weiträumig umfahren – sie stürzt sich immer furchtlos hinein und spiegelt diese Erfahrungen in ihren Drehbüchern wieder. Wenn man sie lässt. Wie viele Welten dabei zwischen „Weissensee“ und „Ku’damm 56“ liegen, erzählt sie uns gleich selber.

Unser Gespräch fand in Hannover statt, mit ausreichendem Sicherheitsabstand zur Berlinale und Tagespolitik, am Valentinstag. Das klingt dem Anschein nach romantischer als es war, denn über Nacht war Schnee gefallen und die Temperaturen ebenso. Bei Wind und Regen machte ich mich auf den Weg zu unserem Treffpunkt, nicht ahnend, das schon mein erstes Fotomotiv weitere Grenzüberschreitungen exemplarisch vorweg nehmen sollte:

Grenzüberschreitung in Hannover.
Grenzüberschreitung in Hannover.

Am Vortag hatte noch alles auf einen frühen Frühling hingedeutet, jetzt erwischte uns der Schatten des Murmeltiertages fast unvorbereitet. Immerhin hatte ich mir noch einen Regenschirm kaufen können. Natürlich nicht für mich sondern für den Gast. Für den Gast? Wo denkt ihr hin, selbstverständlich für das Mikrofon! Annette brachte schließlich ihren eigenen Schirm mit und machte keinen Gebrauch davon. So könnte man auch Pferde stehlen gehen. Oder wenigstens ein paar Enten aufscheuchen.

Trauerweide mit ruhenden Enten.
Trauerweide mit ruhenden Enten.

Verabredet haben wir uns an dem „roten Stier“ unten im Bild, der allerdings „Hellebardier“ heißt und ausnahmsweise mal nichts mit den Nazis zu tun hat, glaube ich. Schutz vor dem Wetter bietet er einem auch nicht gerade. Mir blieb noch Zeit die Inschrift an der Statue des Kapitäns von Hannover 96 zu lesen, doch tatsächlich handelt es sich dabei um den „Fackelträger“, der – man ahnt es schon – dann doch mit den Nazis zu tun hat.

Übersichtlicher Treffpunkt.
Übersichtlicher Treffpunkt.

Denn wer es noch nicht weiß: der Maschsee ist künstlich angelegter Hochwasserschutz und Erholungsgebiet, der damals als willkommene Arbeitsbeschaffungsmaßnahme so manchen Hannoveraner für die Herrenwitzmenschen eingenommen haben dürfte. Der Maschsee selbst war dann doch kein Thema, dafür aber so manch anderes leider aktuelle braune Ereignis.

Fussballnazi
Fussballnazi

Die Laune hat es uns nicht verdorben und so machten wir uns auf den Weg in den vielleicht wärmeren Süden, zunächst hört man mich wie gehabt auf der rechten Seite und Annette links, später dann umgekehrt. Egal aus welcher Richtung sie spricht, Annette Hess zeigt sich von allen Seiten als Autorin in Bestform, die nach vorn blickt und so befreit aufschreibt wie lange nicht.

Annette Hess verdeckt am Maschsee das Rathaus im Hintergrund.
Annette Hess verdeckt am Maschsee das Rathaus im Hintergrund.

Wer mit dem Finger unseren Spaziergang nachfahren mag, der fängt oben links auf der Karte am Karl-Thiele-Weg an und folgt dann den Punkten in südlicher Richtung:

Streckenmarkierungen
Bei ‚Click‘ auf die Karte öffnet sich die Strecke direkt in Google-Maps

Zum Abschluss durfte ein Bild von der improvisierten Regenschirmkonstruktion des erweiterten Mikrofonschutzes nicht fehlen, der übrigens nicht zur Nachahmung empfohlen ist – wenn auch aus rein physikalischen Gründen. Der Arm wird einem auf Dauer (ab ca. 40 Minuten) schwach bis flattrig, was dann zum Seitenwechsel geführt hat. Ein wenig verblüfft nehme ich damit zur Kenntnis, das bisher in jeder Episode des Podcastes ein Regenschirm vorkommt und sich damit zum „running gag“ etabliert hat. Sonnenschein bei Windstille wäre mir zwar lieber gewesen, aber mal abwarten was die nächste Folge an Überraschungen bereit hält.

Annette Hess mit der Schirmherrschaft über das Mikrofon.
Annette Hess mit der Schirmherrschaft über das Mikrofon.

Als Gastgeschenk für Annette gab es dann aber doch etwas anderes – mehr Charme als Schirm – und zwar das Buch „Die Verteidigung der Missionarsstellung“ von Wolf Haas, dann trennten sich unsere Wege.

Karteikartensalat am Valentinstag.
Karteikartensalat am Valentinstag.

Shownotes:
– Mehr über den von mir erwähnten Dokumentarfilm Showrunners: A Documentary Film.
– Die Petition für eine Neusynchronisation der jüngsten „Akte X“ Staffel hat die 7000 Marke beinahe erreicht.
– Der Podcast von dem Panel, auf dem Annette Hess zum ersten Mal von einem Projekt erzählt, aus dem „Ku’damm 56“ geworden ist.
– Die Sendung mit der Maus begleitet eine Flüchtlingsfamilie bei ihrer Integration in Deutschland.
– Mehr zur sehenswerten Serie „Derek“ von und mit Ricky Gervais.
– Die erwähnte Karikatur mit Flüchtlingsboot und Kreuzfahrtschiff.
– Das Dossier von Krautreporter über die neuen Rechten.
– Mehr zum von mir erwähnten Film „Dear Courtney“.
– Das angedeutete Zitat von Reinhold Niebuhr im Wortlaut zum auswendig lernen und leben.
– Das Zitat von Günter Gauss aus dem Interview mit Roger Willemsen im Originalton und hier für alle Fälle noch als Screenshot, sollte der Artikel inzwischen nicht mehr online sein.
– Sagt Annette Hess auf Twitter mal „Hallo“.
– Und wer Annette Hess noch nicht genug zugehört hat, der kann bei den Kollegen vom Deutschlandradio direkt weiterhören.

Leider habe ich es am Ende versäumt noch ein Foto zu schießen, das sich mir als Bild doch ins Gedächtnis eingegraben hat: der Anblick unserer Schuhe. Meine Winterstiefel und die unteren Hosenbeine waren übersät mit Schlammspritzern, während die von Annette wie eben aus dem Schrank genommen wirkten. Darauf via E-Mail angesprochen erwiderte sie: „Tja, Jens, das mit den Schuhen ist ganz einfach: Jesus konnte auf dem Wasser gehen. Ich auf Matsch.“ Wie sie es anstellt, dass der Dreck dabei nicht an ihr haften bleibt, ist ihr Geheimnis.

003-Annette-Hess

PS: Bei der im Podcast angesprochenen „Ehrenrunde“ handelt es sich um ein neues, das „Autoren’nen“ ergänzendes Video-Format, für das uns diesmal leider keine Zeit blieb. Wird aber nachgeholt, das Warten darauf lohnt sich – versprochen. Mehr wird an dieser Stelle noch nicht verraten.

Crosspost auf Fortsetzung.tv und iTunes Direktlink.

Ein Gedanke zu “003 – Annette Hess

  1. Mit großer Spannung haben wir uns auf die Fortsetzung zu dem dreiteiler Ku´damm 59 gefreut. Leider sind viele Monologe kaum zu verstehen, weil die Hintergrund Musik mal wieder viel zu laut eingespielt wurde. Einfach schade und vollkommen überflüssig.
    Falls es weitere Fortsetzungen gibt, sollte das unbedingt geändert werden.
    Ansonsten wieder mal ganz toll !!!

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